Daisy
und Olaf: Die Reise – Weihnachtsgeschichte
Daisy
machte sich auf den Weg in die Hintergasse. Sie kam nicht oft heraus aus dem
Park und doch kannte sie fast jede Straße in ihrem Ort. Am Anfang war sie noch
alle Straßen abgelaufen und hatte sich die Gegenden eingeprägt. Sie wusste
damals genau, wer wo wohnte, wer nett war und bei wem sie lieber Abstand hielt.
Irgendwann war sie nur noch im Park und die Straßen Drumherum geblieben. Dort
hatte sie ein Dach über den Kopf und genug zu Fressen gehabt. Sie hatte nicht
herumstreichen müssen, das war reine Energieverschwendung.
Sie
kam in der Hintergasse an. Das Haus mit der Nummer 3 lag verlassen vor ihr. Sie
senkte ihre Nase und nahm den Geruch auf. Ja, hier hatte Olaf gelebt. Sie
konnte ihn immer noch riechen. Langsam ging sie auf das Grundstück und roch den
Garten, die Terrasse und den Eingangsbereich ab. Hier hielt sich Olafs Geruch
noch am stärksten. Irgendwann würde auch dieser sich verflüchtigen. Wieder
liefen Tränen aus ihren kleinen Äuglein heraus. Wie sollte sie Olaf finden? Sie
wusste nicht, wo seine Menschen hingezogen waren.
„Hey,
verschwinde!“
Daisy
war so in dem Geruch versunken gewesen, dass sie gar nicht mitbekommen hatte,
dass sich der Briefträger genähert hatte.
„Ich
habe gesagt, verschwinde du Köter!“
Daisy
erschrak und rannte las. Sie huschte dem Briefträger durch die Beine, der sich
ihr in den Weg stellen wollte.
„Du
verdammtes Mistvieh!“
Bei
dem Versuch sie zu treten, war er zu Boden gegangen. Die Briefe und Zeitungen
verteilten sich um ihn herum.
Fluchend
und schimpfend sammelte er die Post wieder ein und stapfte davon. Daisy hatte
sich in der Zwischenzeit hinter einer Hecke versteckt und wartete bis der
Postbote abgezogen war. Wieder näherte sie sich dem Haus, diesmal drauf
bedacht, auch alles im Blick zu haben.
Auf dem Boden lag ein kleines Kärtchen, welches der Briefträger anscheinend vergessen hatte einzusammeln. Sofort stach Daisy die Überschrift ins Auge „Nachsendeantrag“. Daisy jauchzte auf. Die Familie von Olaf hatte einen Nachsendeantrag ausgefüllt und dort stand dick und fett die neue Adresse drauf. Was ein Zufall, dass genau DIESES Kärtchen hier noch lag. Daisy prägte sich genau die Zeilen ein: Familie Herbst, Gartenstrasse 5, Himmelsberg!
Für
sie stand fest, sie würde sich jetzt und sofort auf die Reise zu Olaf machen.
Schnell ging sie noch einmal in den kleinen Park und verabschiedete sich von
den dortigen Hunden. Ein kleiner Dackel, wusste sogar in welche Richtung sie
musste. Allerdings hatte er ihr gleich gesagt, dass es ziemlich weit zu Laufen
sei. Daisy war das egal. Ohne Olaf wollte sie nicht hierbleiben.
Sie
begab sich in die Richtung, die ihr der Dackel gewiesen hatte. So gut es ging,
versuchte sie immer in der Nähe der Straße zu bleiben. Schnell wurde es dunkel
und Daisy zweifelte nun doch an ihrem Verstand. Sie hätte bis zum nächsten
Morgen warten sollen und nicht einfach losstürzen sollen. Nun war sie aber
unterwegs. Sie suchte sich ein geschütztes Plätzchen in einem Gebüsch. Es war
kalt, nass und sie hatte den ganzen Tag noch nichts gefressen. Ihr Magen
grummelte vor sich hin, als sie sich eng zusammenrollte und versuchte ein wenig
Schlaf zu bekommen.
Die
nächsten Tage wurden mühsam. Im Sommer wäre es eine wunderschöne Strecke
gewesen und die Menschen in den Ortschaften, die sie passierte, wären sicher
freundlicher gewesen. Jetzt aber im kalten Winter, war kaum einer anzutreffen
und wenn doch, wurde sie weggejagt oder weggetreten. Keiner hatte Mitleid mit
ihr und sie musste sich mit den Enten um vergammeltes Brot streiten, nur um
überhaupt etwas in den Magen zu bekommen. Dan des Schnees würde sie nicht
verdursten, aber der Hunger und die Kälte waren ein ständiger Begleiter und
zerrten an ihren Kräften.
Ab
und an traf sie zum Glück einen Hund, der ihr weiterhalf und sogar eine Katze,
die sich herabließ und ihr die richtige Richtung wies. Daisy war mittlerweile
zwei Wochen unterwegs und sie zweifelte daran, ob sie Himmelsberg und somit
ihren Olaf, überhaupt erreichen würde. Jeden Tag schneite es aufs Neue und sie
kam nur noch langsam voran. Ihre kurzen Beine versanken tief im Schnee und die
Nässe war ein Dauerbegleiter geworden.
Die
Tage zogen dahin und nun ahnte Daisy, was ihr der Dackel mit „weit“ hatte sagen
wollen. Zu weit für sie und ihre kleinen Hundepfötchen. Sie würde es nicht ans
Ziel schaffen. Das wurde ihr auf einmal klar.
Ihr
Magen hatte das Grummeln aufgegeben, ihre Beine trugen sie kaum noch vorwärts.
Sie war tief in den Schnee versunken und ihr Körper teilte ihr
unmissverständlich mit: Ich kann nicht mehr weiter. Sie war gerade den ganzen
Hang hinaufgekrochen, immer an der Nähe der Straße entlang, die sich den Berg
hinauf schlängelte und nun war die Kraft aufgebraucht. Sie schaute mit Tränchen
in den Augen auf das Dorf, was in einiger Entfernung lag an. Sie wusste nicht,
welches Örtchen es war, aber das war auch egal. Sie würde es bis dorthin nicht
mehr schaffen. Sie ließ sich in den Schnee sinken und sah noch eine Weile den
Lichtern zu, die in der Dämmerung zu sehen waren. Dann sank ihr Kopf in den
Schnee und sie gab auf.
Mach‘s
gut Olaf, ich habe es versucht, aber versagt ...
(Melanie
Weber-Tilse; Quelle)
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