"Oh ... ich wollte keinen
Hund mehr. Nie mehr. Ich konzentriere mich jetzt voll auf mich und
"Siegfried", meinen Ehemann.“
Es sollte anders kommen ...
Hundeerziehung:
Ramses lebt sich hervorragend ein.
Ich bin stolze Mutter. Dieser Hund bekommt eine echte Erziehung, nehme ich mir
vor. Da soll mal jeder sagen: was für ein Hund! Und so gut erzogen. So wie die
beiden Dobermänner in ‚Magnum’: Higgins brauchte nur Handzeichen zu geben,
schon gehorchten die beiden Hunde. So wird das auch bei uns.
Und, was Hänschen nicht lernt… drum
fangen wir früh damit an. "Seien Sie stets konsequent“, heißt es in allen
Fachbüchern. Bin ich. "Seien Sie eindeutig der Chef", steht es
überall. Fällt mir nicht schwer. "Behandeln Sie den Hund wie einen
Hund"… klar doch. Finde dieses Vermenschlichen sowieso albern. Da fallen
mir immer nur alte Damen mit ihren Möpsen ein: "Mein Pupsi ist wie ein
Mensch, er versteht alles, was ich sage." Dabei lässt Pupsi deutlich Luft
ab, hinten wie vorne.
Nun lerne ich erst einmal die
Hundesprache. Namhafte Wissenschaftler haben Bibliotheken mit Erkenntnissen
darüber gefüllt, wie sich Wölfe untereinander verständigen und wie die soziale
Struktur im Rudel aufgebaut ist. Es gibt den Alphawolf: Er ist der Chef, ganz
klar. Dann gibt es noch die Alphahündin: Sie ist die Chefin. Nur sie darf sich
mit dem Alphawolf paaren. Und das öffentlich, vor dem Rest des Rudels, denn das
bestätigt die Machtposition. (Das sind also Siegfried und ich, die Alphas.) Der
Rest sind irgendwie nur die Deppen. Alle Untergebenen müssen täglich aufs Neue
bezeugen, dass die Alphas die Chefs sind. Durch Lefzenlecken und sich auf den
Rücken schmeißen. Ist doch ganz einfach und klar.
Ich erkläre Siegfried alles, was
ich gelesen habe, damit wir alles richtig machen. Siegfried will sich nicht
öffentlich paaren. Die Nummer mit dem Vor-ihm-Hinwerfen und dem Lefzenlecken
findet er jedoch nicht übel. Er stellt sich vor, wie ich immer und überall, wo
ich auf ihn treffe, devot zu Boden sinke, den Bauch darbiete und ihm dann
hingebungsvoll die Backen abschlabbere. Täte ihm so gefallen! Nix da, ich bin
die Alphahündin. Und die ist definitiv dominant.
Ich lerne, dass sich der
Rudelführer nie nach den Untergebenen umsieht. Die haben sich nach ihm zu
richten. Ah! Auch die Jagd wird, und zwar ausschließlich, vom Boss eingeläutet.
Klar. (Was für eine Jagd?) Abbruchsignale müssen immer und ausnahmslos befolgt
werden. O.K. (Was soll ich denn eigentlich abbrechen?). Schon früh lernt der
Hund einfache Kommandos wie "Freeze": Nach Professor Loch, dem
anerkannten Kynologen (oder war das Gynäkologen?), muss sich der Hund den
Bewegungen des Chefs anpassen und wie eingefroren stehen bleiben, wenn selbiger
das vormacht. Man nennt das auch "Be a tree", und ganz neue
Erkenntnisse liegen dieser Methode zugrunde. Pflichtgemäß friere ich ab sofort
regelmäßig im ganzen Haus ein. Klein-Ramses schaut mich verdutzt an. Wundert
sich sicher, dass Mama Hündisch kann. Kluges Kerlchen, der ist wie ein Mensch,
der versteht alles. Ramses pupst.
Um Ramses das Miteinander in der
Umwelt beizubringen, treffe ich mich jetzt regelmäßig mit anderen
Hundebesitzern und deren nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen
erzogenen Hunden zum Spaziergang mit täglich geübter Erziehung. Klaus ist unser
heimlicher Anführer. Er hat eine zwei Jahre alte Deutsch-Kurzhaar-Hündin,
Selma. Er zeigt uns, wie ein rechter Alpha sich benimmt. Mitten in der
Unterhaltung, beim Laufen durch den Wald, pflegt Klaus plötzlich
"einzufrieren", um dann urplötzlich in ein nahe liegendes Gebüsch zu
stürzen und dort Beute zu machen, mittels eines Frolic, das er dort erbeutet.
Er ist ganz bei der Sache. Selma schaut sich dieses Treiben immer interessiert
an und bleibt weit ab stehen. Klaus erklärt den Neulingen, dass Selma ihm
natürlich den Vortritt lässt und nicht wagt, dem Chef die Beute streitig zu
machen, indem sie hinter ihm her geht. Toll macht er das. Während Klaus weiter
referiert, wie man sich subdominant verhält und was die unabdingbaren Folgen
sind, ist Selma verschwunden. Der Rudelführer dreht sich niemals um. Der
Rudelführer ruft niemals nach seinem Hund. Das schwächt seine Position
erheblich. Als Selma nach zehn Minuten immer noch nicht zu sehen ist, erklärt
Klaus, dass die Hündin in einer schwierigen Phase der
Rangordnungsfolgendezimalisierung steckt und ihre Position neu ausloten will.
Er schaut sich um. Er ruft. Er pfeift. Nix. Jetzt rast er suchend durch den
Wald und lässt uns verunsicherten Anfängerhaufen stehen. Wir sehen weder Selma
noch Klaus. Einer muss die Führung übernehmen. Also bin ich das. Ich beschließe
für uns alle, weiterzugehen. "Wenn wir hier warten, schwächen wir Klaus’
Position, falls Selma zurückkehren sollte", meine ich ganz im Sinne von
Prof. Loch. Der Rest der Truppe schaut mich bewundernd an. Ich bin halt der
geborene Alpha. Und die, die das nicht im Blut haben, wollen geführt werden.
Wir ziehen langsam weiter. Als wir
aufgeregtes Gebell hinter einem Wäldchen hören, steuern wir darauf zu.
Vielleicht ist es Selma? Sie ist es. Sie rennt bellend um einen harmlosen
Spaziergänger mittleren Alters herum. Der Mann hat richtig Angst. Er fuchtelt
wild mit den Armen in Richtung Selma und schreit: "Aus! Weg! Geh!"
Selma rast weiter kläffend um den Mann herum. Wir stehen alle verdutzt da. Ich
entschließe mich einzugreifen und Selma einen Tritt in den Arsch zu
verpassen... Da erscheint Klaus, abgehetzt von der Suche nach seinem Hund, um
mein Beinahe-Abgleiten in alte, falsche, völlig verstaubte Methoden der
Hundeerziehung zu verhindern. Uff. Jetzt wird es spannend. Wir erwarten alle
eine exzellente Demonstration wahrer innovativer kynologischer Kunst.
Klaus ‚freezt’. Selma bellt weiter.
Sie beachtet ihn gar nicht. Sicher "friert" Klaus noch nicht lange
genug ein, oder er macht etwas falsch? Klaus fackelt nicht lange – sicher ist
ihm noch rechtzeitig eingefallen, dass Selma in einer schwierigen mentalen
Phase steckt – und läuft auf den Mann zu. Klaus nimmt eine
‚Ich-mach-mich-groß’-Haltung ein. Dadurch wird Selma erkennen, dass Klaus der
überlegene Leitwolf ist. Noch kapiert sie es allerdings nicht. Jetzt ruft Klaus
laut: "Woaw, grruuuuaaaaa … bruuuuaaaamm!", und fixiert dabei den
schlotternden Naturliebhaber. Der ‚friert’ auf diese Maßnahme hin naturgemäß
ein. Gut gemacht, Klaus! Selma dagegen hat die Lektion immer noch nicht so ganz
begriffen. Bisschen schwer von Begriff ist sie ja schon. Jetzt bellt sie auch
Klaus an. Auch der Mann erhebt jetzt seine Stimme gegen Klaus: "So halten
Sie doch verdammt noch mal Ihren Köter fest!"
Bei dem Wort "Köter"
erstarren wir, die Gruppe. Was meint der mit "Köter"? "Das
können Sie auch freundlicher sagen", schreit jetzt Uschi aus unserer
Lerngruppe dem Hundelosen entgegen. "Der hat Angst", wagt Angelika,
die einen jungen Labrador führt, einzuwenden. "Wenn er sich nach Loch
verhalten würde, passierte ja nichts!" meint Uschi ganz engagiert.
"Vielleicht kennt er die Lehren des Loch gar nicht?", meine ich
vorsichtig. "Dann ist er ja wohl selber schuld", meint Uschi ganz
folgerichtig. Inzwischen hat sich die Situation entspannt. Klaus hat ein
geschicktes Manöver eingeleitet: Er schleudert wild mit Frolic um sich.
"Er bietet dem Hund Ersatzbeute an", meint Angelika wissend. Aaah…
wir sind alle beeindruckt. Selma lässt auch tatsächlich von dem Spaziergänger
ab – für sie wohl ein übergroßes, bekleidetes Hasenobjekt – und sammelt eifrig
die Futterbrocken ein. Klaus brüllt jetzt in unsere Richtung: "Um Zwang zu
vermeiden, gebe ich Selma jetzt die Möglichkeit, vom Objekt freiwillig
abzulassen und sich ohne Gesichtsverlust wieder in die Hierarchie
einzugliedern." Das ist wichtig für die Entwicklung des Selbstbewusstseins
des Hundes. Das ‚Objekt’ brüllt nur noch unverständliche Worte, teils mit
unflätigen Fragmenten. Futterbrockenstraßen legend zieht Klaus Selma vom Tatort
ab. "Das nächste Mal zeige ich euch, wie man die Alphakonstruktion durch
‚jump and ringelding’ festigt." Wir sind schon sehr gespannt.
Klaus ist dann irgendwann in eine
andere Stadt gezogen, nachdem sich seine Frau von ihm getrennt hatte. Er
meinte, sie hätte keinerlei Verständnis für ihn und den Hund. Sie sei
eifersüchtig – nur, weil Selma sie, Frau Klaus, nicht mehr ins eheliche
Schlafzimmer lasse. Dabei ist Selma nur in einer vorübergehenden Phase von
Hierarchiestrukturmeideverhalten. Das geht vorbei. Klaus und seine Frau haben
dabei allerdings festgestellt, dass man auch in anderen Bereichen nicht eins
sei. Das mit Selma sei nur der Auslöser gewesen. Die eigentlichen
Schwierigkeiten sitzen ganz wo anders.
Na, wenn die auch so wenig
Verständnis hat.
Ähnlichkeiten mit lebenden
Personen, Hunden etc. sind rein zufällig ...
(Autor unbekannt)
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