Am Morgen des Prüfungstages fiel
mir die ständige Aufmerksamkeit auf, die die Familie meiner Wenigkeit widmete.
Leichte Hektik auch, als sich Frauchen die Schuhe anzog. Die sonst übliche,
nach Leckerli und Natur duftende Jacke, die schönen Turnschuhe blieben an der
Garderobe. Frauchen trug Kleidung, die sie normalerweise dann anzieht, wenn ich
zu Hause bleiben muss. Beunruhigend! Wir gehen zum Auto, Frauchen vergisst
etwas. Hastet zurück. Streichelt mich. Warum?? Wir fahren zum Hundeplatz. Heute
dürfen die vierbeinigen Kumpels nicht mit mir spielen, wir dürfen uns nicht
beschnuppern. Merkwürdig!!! Ich zeige meinen good will und hebe hier und da das
Bein. Auf meinem geliebten Hundeplatz wird heute nicht gelacht, keine Zurufe
ertönen, jeder Zweibeiner riecht nach Stress. Wenn meine Kumpels von den
Übungen zurückkommen, werden sie von den wartenden Menschen umringt, beklatscht
und betätschelt. Eigenartig!!
Ich glaube, jetzt sind wir an der
Reihe. Plötzlich entwickelt sich mein heißgeliebter Übermensch zu einem
Fremden. Sie zerrt mich grob und hektisch zum Eingang. Der hastige, steife Schritt
und die ernste Miene sind unangenehm. Ich weiche etwas zur Seite. Sofort kommt
ein grimmiges FUSS. Die übliche Korrektur mit Leine oder Leckerli entfällt.
Kein BRAV entschlüpft ihr, als ich mich, sobald sie anhält, hinsetze, damit ich
sie wieder positiver stimmen kann. Warum benimmt sie sich so blöd? Sonderbar!
Ich werde langsam sauer!!!
Jetzt leint sie mich ab, und ich
fühle mich wieder frisch. Ich schüttle mich kurz. Anscheinend ist die eisige
Phase vorüber. Da zischt mir wieder ein unnatürliches FUSS entgegen. Jeden
Meter, jede Wendung, jedes Anhalten haben wir trainiert, und ich kann alles wie
im Schlaf. Trotzdem fehlt mir heute die Sicherheit. Ich finde den Faden zu
meinem Oberhund nicht. So trotte ich nebenher. Ich fühle mich unwohl. Gäääähhhnn!!!
Wieder halten wir an. Sie lobt mich nicht, trotzdem ich doch alles richtig
gemacht habe. Ich weiß, dass jetzt, nach 19 Schritten, mein SITZ kommt. Doch
der Befehl klingt anders. Gekrächzt. Es irritiert mich. Ich gehe
vorsichtshalber in eine Stellung zwischen SITZ und PLATZ. So wird's schon recht
sein. Frauchen bekommt den bösen Blick, lässt die Schultern herabfallen, ihre
Haltung verrät nichts Gutes. Schnell lege ich mich hin, um meine Ergebenheit
auszudrücken. So, wie sie jetzt auf mich zukommt, ist sie mir unheimlich. Jetzt
habe ich Magendrücken. Und als sie mich am Halsband hochzieht, kusche ich
wieder in Liegestellung.
Mir reicht's langsam!
Das erneute Losgehen mache ich zwar
automatisch mit, aber als sie PLATZ herausstammelt, bleibe ich einfach stehen.
Jetzt atmet sie auch noch fast hechelnd. Ich begebe mich vorsichtig zu ihr und
hoffe, endlich ihr BRAV zu hören, aber sie wird immer zorniger. Da,
wedel-wedel, sie geht in Richtung Bringhölzer. Meine Lieblingsübung. Mir lacht
das Herz. Freudig gehe ich bei Fuß, setze mich blitzartig, als sie das Holz
wegschießt, und warte auf ihr BRING. Es kommt, scharf, und als ich mich mit dem
aufgenommenen Holz wieder Richtung Frauchen drehe, sehe ich ihre miese Laune.
Weil ich sie auf der Spielwiese mit Stöckchenspielen immer aufheitern kann,
versuch ich es jetzt und fordere sie auf, mir nachzurennen. Na los doch!!!! Da
brüllt sie BRING und schäumt vor Wut. Nicht einmal die Spielaufforderung
versteht sie. Ich lasse das Bringholz lieber fallen und gehe in die Grundstellung.
Das mag sie doch sonst. Verzweifelt himmle ich sie an. Wieder falsch! Ich spüre
es an Ihrer Körpersprache!! Es ist zum Verzweifeln!!
Die letzte Übung VORAN versetzt
mich nun in einen Zwiespalt. Will sie das wirklich? Was will sie eigentlich?
Kann ich ihr heute irgendetwas recht machen? Da fällt mir ein: Sie ist doch
immer ganz begeistert, wenn ich morgens mein Häufchen erledige. Vielleicht
erheitert sie das? Vielleicht bekomme ich sogar ein Extra-Leckerli? Ich laufe
schnell seitlich an den Rand des Hundeplatzes und befreie mich, körperlich und
seelisch. Ich komme ja gleich wieder.
Jetzt wird alles gut! Doch wie
schrecklich.
Großer allmächtiger Wolf, bewahre
mich vor dem Tierheim. Lass´ Abend werden.
Denn morgen wird sicher alles
wieder gut.
(Autor unbekannt)
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