Mein
Name ist Milow, ich bin ein Hund und ich lebte bis vor einem guten Jahr auf
einer Müllkippe in Portugal. Ich hatte oft Hunger, so richtig Kohldampf und
sehr oft tat das fies weh! Neulich sagte meine Ärztin, dass meine Zähne so
aussehen, wie die von einem alten Hund.
Das
käme von dem vielen Müll, dem Plastik, dem Blech und dem vielen anderen Krams,
was auf Müllkippen so herum liegt. Ich bin aber nicht alt, ich bin erst Drei!
Meine Knochen und mein Rücken sind kaputt, von dem schlechten Essen und von den
vielen Schlägen und Tritten – von Menschen, die Hunde auf Müllkippen nicht
mögen.
Ich
habe oft Schmerzen, ich hatte keine schöne Jugend und an meine Kindheit kann
ich mich nicht erinnern, aber ich war frei! Manch ein Hund von hier weiß gar
nicht, was das bedeutet und diese Freiheit war das letzte, was mir genommen
wurde.
Hier
in Deutschland ist alles anders! Ich habe zugenommen und das ganze Land besteht
aus Geschäften, in dem man was zu Essen kaufen kann, sogar für uns Hunde. Hier
hat keiner Hunger, jedenfalls kaum einer und für unsereins scheinen hier El
Dorado und das Paradies auf einem Flecken zu liegen.
Deutsche
Hunde sind verwöhnt und haben keine Probleme! Jedenfalls dachte ich das, bis
ich Luna kennen lernte. Bevor ich ihre Geschichte kannte, hielt ich sie nur für
eine verwöhnte Prinzessin. Wie kann es Hunden in diesem Land, in das unsereins
so oft reingerettet wird, schlecht gehen? Deutsche Hunde leben nicht auf
Müllkippen und deshalb geht es ihnen gut, dachte ich. Auf Freiheit verzichtet
man immer gerne, wenn der Magen voll ist! Lunas kleine Geschichte lehrte mir etwas
Anderes und sie öffnete mir die Augen.
Ich
hatte Kumpels, bin mit anderen Hunden zusammen aufgewachsen und ich konnte
Kommen und Gehen wie ich wollte. Ich hatte eine Sprache und ich lernte sie zu
benutzen! Die kleine Luna hatte gar nichts davon, sie kannte lange Jahre
überhaupt keinen anderen Hund und war immer alleine – drei lange Jahre, fast
ihr halbes Leben! Ihr Leben war wie das Leben einer Dose Bier oder einer
Packung Knäckebrot: Gekauft, gebraucht und weggeworfen!
Diese
vier Kinder wollten halt einen Hund zu Weihnachten und die Eltern wollten das
perfekte Familien-Klischee. Da gehört ein Hund laut vieler Fernsehsendungen,
Illustrierten und Werbeversprechen unbedingt zu. Ein Hund war schnell gefunden,
denn kurz vor Weihnachten sind die Zeitungen und das Internet voll mit solchen
Anzeigen.
Luna
wurde mit sechs Wochen von ihrer Mama weggenommen und etwas später mit
Schleifchen unter den Weihnachtsbaum gesetzt. Das Elend im Leben eines kleinen
Hundes nahm seinen Lauf. Die Kinder verloren bald das Interesse. Spielzeuge die
kläffen, beißen und Arbeit machen, sind bei Kindern nicht sehr beliebt. Luna
wurde vernachlässigt, weggeschoben und später in den Keller gesperrt, damit sie
bloß nicht mehr auffällt. Keiner wollte sie mehr haben, keiner wollte die
Verantwortung und Luna verlor die ersten drei Jahre ihres Lebens – fast immer
allein, im Dunklen und mit Katzenklo! Viele von Euch werden diese Geschichte
kennen, ich will sie nicht noch einmal erzählen.
Anfangs
hielt ich sie ja wirklich für eine verwöhnte Prinzessin mit vielen seltsamen
Marotten. Sie mochte nicht mit Wasser kleckern, wollte nie nasse Füße kriegen
und hatte kein Interesse, mit anderen Hunden zu spielen. Sie wurde sehr schnell
frech, wenn sich ihr ein anderer Hund näherte, und sie versteckte sich beim
Pullern und Haufen mache. Fraule machte immer ein riesiges Theater um sie und
manchmal war ich richtig genervt – vielleicht auch etwas eifersüchtig.
Sie
hielt sich wohl für was Besseres, dachte ich oft, aber als ich dann von ihrer
Geschichte erfuhr, wurde mir ganz anders. Das Leben auf einer Müllkippe ist
wirklich kein Puppenspiel, aber als sie mir von ihrer Jugend erzählte, da bekam
ich eine Gänsehaut. Bei dem, was die Kleine alles durchgemacht hat, darf man
auch manchmal etwas schrullig sein – finde ich!
Als
ich sie kennenlernte, konnte sie gar nicht wie ein Hund reden – sie verstand
mich überhaupt nicht und manchmal fragte ich mich, ob sie nicht vielleicht doch
eine Katze oder so etwas sei. Sie hatte vorher schon immer fleißig mit dem
Fraule gelernt, aber die ist ja nun mal kein Hund. Einiges konnte sie schon und
den Rest habe ich ihr dann beigebracht und gezeigt.
Ich
war ein guter Lehrer für die Sprache Hund, der beste sagten viele. Für mich war
es immer ein Garant fürs Überleben, mich Kollegen gegenüber richtig ausdrücken
zu können. Aber manche Dinge können Hunde eben nur von Hunden lernen und ich
machte mich sofort an die Arbeit: Aus der Prinzessin einen richtigen Hund zu
machen? Für einen ehemaligen Straßenhund wie mich war das ein Klacks!
Ich
konnte irgendwann diese ganze Jammerei und Kläffrei nicht mehr ertragen.
Anstatt sich auf der Wiese wie jeder andere Hund zu benehmen, stand sie immer
nur rum und nervte alle. Während alle meine Kumpels und Freundinnen spielten,
stand Luna mitten auf der Wiese und kläffte sich die Seele aus dem Hals. Kam
einer von uns näher, ging sie gleich voll in Wut auf diese los. Fast als wenn
sie angegriffen wurde, was natürlich niemals einer tat. Sie hatte einfach nur
Schiss und wusste ja auch nie, was die anderen von ihr wollten. Eigentlich
wollte sie mitmachen und mitspielen, sie wusste nur nicht wie es geht! Manchmal
traute sie sich auch, auf andere Hunde zuzugehen, bekam aber oft ganz schnell
Ärger. Mit den Vorderpfoten einfach auf andere Hunde aufzupatschen ist unter
Hunden halt sehr unhöflich – aber woher sollte sie das wissen.
Das
war ein Fall für mich, den geborenen Halunken. Ich habe bei der Kleinen einfach
nicht lockergelassen und sie immer wieder zum Spielen aufgefordert. Wenn sie
meckerte, ließ ich sie in Ruhe und versuchte es etwas später nochmal. Oh Mann,
ihr glaubt nicht, was ich mir für Ohrfeigen eingefangen hatte. Fast ein ganzes
Jahr verging und ich habe ihr niemals etwas übelgenommen.
Dann
kam der Tag, als sie das erste Mal auf mich zu stürmte und mich ganz höflich
nach Hundeart zum Spielen aufforderte. Ich war richtig platt und das Fraule
stand an diesen Abend heulend auf dem Hundeplatz. Keiner außer ich wusste, was
mit ihr los war – aber ich konnte es gut verstehen. Heute toben wir zusammen
fast jeden Tag durch die Gegend und durch unseren kleinen Lieblingswald, wir
kennen es kaum noch anders. Und seitdem ich mir meinen Namen merken kann,
dürfen wir beide sogar ohne Leine zusammen durch die Gegend flitzen. Ich bin
richtig stolz auf das kleine Frollein und ich finde, dass ich das alles richtig
toll hinbekommen habe!
Manche
Menschen sagen, ich wäre ein Problemhund – aber in Wirklichkeit bin ich ein
ProblemLöseHund, sagt Fraule! Einmal sagte sie sogar, ich würde in diese
Familie passen wie ein Popo aufs Töpfchen, oder so ähnlich. Ich hätte ihr
gerade noch gefehlt, kam ganz am Anfang mal von der Prinzessin, und wir beide
wussten da noch nicht, wie sehr sie damit recht haben sollte! Bei ganz vielen
Sachen konnte ich der Kleinen helfen, aber bei einigen leider auch nicht. Das
sind die Sachen, die sich in ihre kleine Seele eingebrannt haben. Die Sachen,
die ihre blöden ehemaligen Menschen ihr angetan und irgendwie auch beigebracht
haben.
Luna
hatte früher Angst vor dem Essen, kann man sich das vorstellen? Ich nicht!
Mittlerweile frisst die wie ein Heudrescher und man kann gar nicht so schnell
gucken, wie ihr Napf leer ist – sehr zu meinem Leidwesen. Irgendwie muss sie
sich das bei mir abgeguckt habe. Früher musste Fraule ihr Futter stundenlang
durch die Gegend kullern, damit sie überhaupt mal was isst. Mit dem Wasser und
dem Trinken hat sie noch heute Probleme. Trinken tut sie bis heute nur heimlich
in der Nacht oder draußen beim Gassi – aus dem Bach oder aus irgendwelchen
Pfützen. Die Blödis von früher hatten sie wohl immer bestraft und geschimpft,
wenn sie gekleckert hatte. Und sie ist eine ziemliche Kleckerliese, das muss
ich schon sagen. Mir macht aber nichts aus, weil ich dann immer was zum Saubermachen
habe!
Im
Dunkeln fängt die Kleine an zu wimmern, vor allem wenn das Fraule nicht in der
Nähe ist. Wir gönnen uns den Luxus, die ganze Nacht im Flur das Licht an zu
haben – dann ist Luna ruhig, weil sie immer weiß, wo wir sind! Wenn Luna
draußen einen Haufen machen muss, dann sucht sie so lange, bis sie eine Stelle
gefunden hat, wo sie keiner sehen kann. Sie geniert sich, sagen viele, doch das
stimmt überhaupt nicht. Sie hat dabei auch nur wieder Angst vor einer Strafe.
In ihrem Keller war das verboten und auf das schmuddelige gereinigte Katzenklo
mochte sie einfach nicht mehr gehen. Mir ist so etwas ja völlig wurscht. Ich
kacke immer da, wo ich gerade stehe und wo mir danach ist – Fraule hat ja immer
ihre Schietbüdel dabei und macht es schnell weg, was ich übrigens sehr seltsam
finde. Aber Luna hält Kacken für was Verbotenes und macht es lieber heimlich.
Irgendwie ist ihr wohler dabei und ändern wird sich das wohl auch nicht mehr!
Und
dann sind da noch die Kinder. Sie sollte Angst vor Kindern haben, jedenfalls
wäre es logisch und verständlich. Aber klein Luna liebt Kinder über alles, je
kleiner und jünger, desto besser! Wenn sie draußen Kinder sieht, ist sie nicht
mehr zu halten und einmal ist sie sogar losgerannt und zu einem kleinen Jungen
in die Karre gesprungen. Alle hatte lachen müssen und gottseidank waren die
Eltern sehr hundeliebe Menschen.
Sie
wird auch gerne gestreichelt, aber wehe einer versucht sie festzuhalten. Da
bekommt sie sofort wieder Angst, fast schon Panik, und versucht sofort
abzuhauen und sich in Sicherheit zu bringen. Festhalten darf sie sowieso nur
das Fraule, sonst keiner. Alle anderen werden bei Bedarf einfach gebissen, wenn
sie die Kleine nicht sofort loslassen – aber wir wissen ja warum das so ist!
Luna
lebt jetzt schon über vier Jahre bei unserem Fraule und auch ich kenne sie seit
fast eineinhalb Jahren. Sie ist ein tolles großes Mädel geworden und eine
richtig klasse Freundin. Wir alle drei sind ein tolles Team. Doch über ihrem
wunderbaren Wesen wird immer der Schatten ihrer Vergangenheit liegen.
Erinnerungen kann man nicht löschen, man kann nur versuchen damit zu leben und
sich daran zu gewöhnen. Wie soll solch ein kleines Wesen, ein Terrier-Mix von
noch nicht mal sieben Kilo, das Alles nur schaffen? Sie hat viel hinter sich
gelassen und viele neue Horizonte erreicht – für uns ist sie der tollste Hund
der Welt! Ihre Geschichte soll um die Welt gehen und ein klein wenig dabei
mithelfen, dass sie sich niemals wiederholt. Deshalb habe ich sie Euch heute
aus meiner Sicht nochmal erzählt!
Wir
Hunde sind keine Bierdosen und auch keine Knäckebrot-Tüten! Hunde sind
überhaupt keine Dinge, wie alle anderen Tiere auch nicht! Hunde sind beseelte,
denkende und fühlende Wesen. Wir binden Eure Verantwortung mitunter für mehr
als zwanzig Jahre. Wir schenken Euch unser ganzes Leben und werden gemeinsam
mit Euch an Seite an Seite alt. Wenn wir sterben hinterlassen wir riesengroße
Löcher in Euch, die kein Ding der Welt stopfen kann. Wir Hunde sind Partner,
Familienmitglieder und Personen mit ganz eigenen Bedürfnissen und Rechten!
Wir
sind alles, aber keine Geschenke vom Weihnachtsmann, schon gar nicht für kleine
Kinder. Wir haben unter dem Weihnachtsbaum nichts zu suchen, es sei denn als
Beschenkte an eurer Seite.
Vergesst
uns nicht, denn wir sind Eure Freunde!
Gez.
Milow
H. Lunke
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